Je angespannter die Situation am Arbeitsplatz, je besorgter Mitarbeitende aufgrund von Zukunfts- und Change-Ängsten und je schneller Teams immer wieder neue Lösungswege einschlagen müssen, desto wichtiger ist die Kommunikation – und desto mehr ausgerechnet bleibt diese jedoch gerade unter herausfordernden Umständen auf der Strecke. Die Folge: Missverständnisse und Konflikte, die stumm im Untergrund schwelen oder später zu heftigen Ausbrüchen führen. Beides macht krank. Es vergiftet die Kultur im Team und hinterlässt bei den Betroffenen psychische wie physische Spuren. Wie gelingt auch unter Anspannung eine gesunde Kommunikation? Wie werden Konflikte so ausgetragen, dass alle gestärkt daraus hervorgehen? Und was kann die Führungskraft zu einer gesunden Kommunikationskultur beitragen? Analogien aus der Immunologie führen Handlungsmaximen vor Augen.

Warum wir jetzt über gesunde Kommunikation nachdenken sollten

Von der Immunologie lässt sich viel über Führung und die Abstimmungsprozesse einer gelungenen Unternehmenskultur ableiten. Ziel des Blogs ist es, die aus der Immunologie gewonnene Wirkungsmechanismen auf Führung und gesunde Kommunikation anzuwenden.

Im Arbeitsalltag ähneln sich Konflikte auf der Teamebene der klinischen Symptomatik einer Entzündungsreaktion auf Körper- und Zellebene. Mögliche Auslöser für Konflikte sind Arbeitsbedingungen in dem Unternehmen, der Führungsstil des Vorgesetzten, das Klima im Team oder Überempfindlichkeitsreaktionen gegen bestimmte Tätigkeiten – zum Beispiel Webinare über Teams, Zoom oder GoToWebinar.

 

Vorbild Immunsystem

Unser Immunsystem ist eine wichtige Instanz unseres Körpers. Es will uns wie ein Bodyguard beschützen. Getreu dem Motto „Du kommst hier nicht rein“ bekämpft es Viren, Bakterien und fremdartige Allergene, die dem Körper Schaden zufügen könnte.

Täglich werden hohe Anforderungen an die Abwehrkräfte gestellt: Berufliche Belastungen, Stress und Konflikte müssen bewältigt werden. Das Immunsystem ist ein hochkomplexes und sensibles Netzwerk, welches über den gesamten Organismus verteilt ist. Durch eine sehr gute Kommunikation der beteiligten Zellen gelingt es dem Körper, sich gegen Viren, Bakterien, Pilzen und anderen Belastungen zu wehren. Wie das Gehirn benötigt es ein Gedächtnis aus Immunzellen und Antikörpern und ein perfektes Informationssystem aus Gewebsmediatoren und Botenstoffen.

Eine „Entzündung“ (lateinisch: inflammatio) ist eine komplexe Abfolge von Reaktionen des Immunsystems als Antwort auf verschiedene, in der Regel schädigende Reize. Solche Reize können Infektionen (Bakterien, Viren, Parasiten), aber auch Verletzungen, physikalische und chemische Einflüsse (Verbrennungen, Verätzungen, Strahlung etc.), Absterben von Gewebe (Nekrosen), Tumorerkrankungen, Fremdkörper (z.B. Splitterverletzungen) oder Überempfindlichkeitsreaktionen (Allergien) sein. Die Entzündung ermöglicht die Beseitigung des ursächlichen Reizes, generiert den Abtransport der entstandenen Schadstoffen/zerstörtem Zellgewebe und leitet den Heilungsprozess über Reparation oder Regeneration ein.

Diese Erkenntnisse lassen sich hervorragend auf Kommunikationsprozesse in Teams und ganzen Unternehmen übertragen. Im Arbeitsalltag ähneln sich Konflikte auf der Teamebene der klinischen Symptomatik einer Entzündungsreaktion auf Körperebene.


Strukturierung der Entzündung / des Konflikts – Phasen

1. Akute Entzündung – Akuter Konflikt 

Eine Entzündung im menschlichen Körper zeigt sich durch Röte, Wärme, Schmerzen und Produktivitätsverlust (medizinisch: rubor, calor, dolor, functio laesa). Dies lässt sich gut auf Unternehmen übertragen:
Rubor: Wenn Mitarbeiter mit knallrotem Kopf zornig und außer sich durch die Gänge laufen, besteht die Gefahr, dass sich ein Konflikt bereits mit einem falschen Wort entzündet.
Calor: Die Überhitzung der Diskussion ist ein Grund für den Konflikt.
Schmerz: Die Verletzung auf einer persönlichen Ebene führt genau zum Konflikt.
Functio laesa: Produktivitätseinbußen und fehlende Motivation führen nicht zum gewünschten Betriebsergebnis.

Um den Auslöser einer Entzündung ausfindig zu machen, führt der erfahrene Immunologe verschiedene Tests durch, etwa Laboruntersuchungen relevanter Messkriterien, wie zum Beispiel im Differentialblutbild die der Anzahl der Lymphozyten und Leukozyten, erhöhter Enzymwerte und Messung bestimmter Serum-Titer, um eine klare Diagnose stellen zu können. Im Business-Kontext lässt sich der Übeltäter nicht so einfach im Blut nachweisen. Es gibt jedoch verschiedene Testverfahren, wie zum Beispiel Checklisten und Mitarbeiter-Fragebögen, die eine Diagnostik des Kommunikationsverhaltens und von Konflikten einfach ermöglichen.

Führungskräfte haben die Aufgabe, die Ursache der Konflikte anzugehen. Es geht nicht darum, nach außen noch besser und schneller zu funktionieren, sondern die Bedürfnisse und Befürchtungen ernst zu nehmen. Im Konfliktfall gilt es zu unterscheiden: Handelt es sich um einen akuten oder einen chronischen Konflikt? Ist es ein „heißer“ oder ein „kalter“ Konflikt?
Wie lange besteht dieser schon?

 

2. Chronische Entzündung – Chronischer Konflikt

Eine chronische Entzündung kann eine langwierige Angelegenheit sein.
Was ist los im Unternehmen? Möglicherweise besteht der Konflikt schon sehr lang.
Was kann die FK machen?
Aufgabe der Führungskräfte ist es, die Ursache des Konflikts zu verstehen.

Nach Ausbreitung und Lokalisation
1. Lokal – begrenzt auf eine Stelle – zum Beispiel eine lokale Rötung nach einem Wespenstich.
2. Generalisiert – Kinderkrankheiten, wie Röteln oder Windpocken.

Übertragen auf das Unternehmen heißt das:
Besteht dieser Konflikt nur zwischen zwei Konfliktparteien oder zieht sich dieser durch das gesamte Unternehmen? Beispielsweise eskalieren Konflikte in einer Besprechung zwischen Betriebs- und Vertriebskollegen deshalb, da der Streit bereits im Organigramm zwischen Betrieb und Vertrieb angelegt ist. Der Konflikt betrifft das gesamte Unternehmen.
So äußern sich die Kollegen folgendermaßen: Der Vertrieb beschwert sich über den Betrieb: Wir sorgen für den Umsatz. Das kleinkarierte Kostendenken der Betriebskollegen hemmt uns nur dabei, Neukunden zu gewinnen. Anders die Perspektive der Betriebskollegen: Wir sorgen dafür, dass wenig ausgegeben wird, der Vertrieb knallt das Geld nur so raus.

Wenn es im Team zu Abstoßungsreaktionen kommt
Was, wenn der worst Case eingetreten ist und eine Abteilung hochallergisch reagiert, sich wegen Überempfindlichkeitsreaktionen nichts mehr bewegt, viele Kollegen krankgeschrieben sind, die anderen demotiviert das Nötigste machen und die Arbeit ansonsten brach liegt?

Um in der Analogie unseres Immunsystems zu bleiben: Die allergische Reaktion auf Körperebene kann sich zu einer Autoimmunerkrankung des Teams entwickeln. Möglicherweise mit Abstoßungsreaktionen gegenüber dem Chef.

Unsicherheit bei Mitarbeitern wirkt sich wie eine entzündliche Reaktion im gesunden Gewebe aus. Die Entzündungsfaktoren lassen sich nach kurzer Zeit auch in anderen Abteilungen nachweisen. Anstatt jetzt nach Fehlern und Schwächen zu suchen und Zeit damit zu verlieren, ist es für Unternehmen effektiver, sich mit den vitalen Prozessen zu beschäftigen, in dem sie die betroffenen Mitarbeiter professionell unterstützen, wieder respektvoll miteinander und mit sich selbst umzugehen. Vor allem aber gilt es für Führungskräfte zu erkennen, wann die Team-Gesundheit gefährdet ist. Daher sind rechtzeitig präventive Maßnahmen aufzusetzen, damit es gar nicht erst zu den Krankheitssymptomen kommt.

Aus der Verbrennungschirurgie wissen wir, dass kleine Inseln an Hautkulturen gesetzt werden können, damit sich neues Hautgewebe bildet. Übertragen auf Unternehmen bedeutet dies, dass selbst kleine Veränderungskulturen in Teams und die Schaffung von Verantwortungsgemeinschaften einen Beitrag leisten können, damit sich die Kommunikation in den Unternehmen verbessert. Das ist nachhaltig.


3. Triggerfaktoren von Entzündungen und Konflikten

Chemische und physikalische Reize, Reibung, Druck, Fremdkörper, zu hohe oder zu niedrige Temperatur, Strahlung, Säure und Basen sowie Viren und Bakterien.
Dies lässt sich auf das Unternehmen übertragen: Toxische Bemerkungen, ätzende Kollegen, Fremdkörpergefühl im Team, Reibung, Druck im Team, eiskalte Blicke, erhitzte Gemüter, schlechte Stimmung.

Kommunikation führt zu Risiken und unerwünschten Nebenwirkungen – gerade jetzt in der Corona-Situation. Jede Nachricht wird je nach persönlicher Anspannung und Gereiztheit anders bewertet und interpretiert. Im Business-Kontext werden unterschiedliche Aspekte als entzündungs- und konfliktauslösend beschrieben. So sprechen Führungskräften beispielsweise von Power-Point-Allergien, Meetingitis, Projekt-Intoleranzen, e-mail-Unverträglichkeiten und Online-Überempfindlichkeitsreaktionen.

Mit steigender Menge an Arbeitsunverträglichkeit nimmt die Schwere der Symptome der entzündlichen Dimensionen zu. So unbestritten ein möglicher Zusammenhang all dieser Symptome mit dem Arbeitsalltag ist, so unklar ist aber auch, in welchem Ausmaß Führungsfehler für die genannten Beschwerden verantwortlich zu machen sind. Führungskräfte müssen sensibilisiert sein für nervige Triggerfaktoren und zu verstehen, worauf es wirklich ankommt, damit Kommunikation gesund gelingt und wie mit Konflikten umgegangen werden kann.

Aus den Erkenntnissen der Immunologie lässt sich für Führungskräfte ableiten, dass Konflikte nicht vermieden werden dürfen, sondern zur Sprache gebracht werden müssen. Für Führungskräfte geht es nicht um Pflasterkleben (wir sind ein tolles Team), sondern um eine echte Wundheilung von innen (Klärung der Bedürfnisse, Befürchtungen und Lösung des Konfliktes). In einem Team-Meeting können nervige Faktoren besprochen und geklärt werden.

Die Prognose eines Konflikts ist abhängig von Ursache, Art, Stärke und Dauer der Störung/Konflikts. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Führungskräfte die Prognose des Konflikts richtig einschätzen können.

Auch hier können wir von der Immunologie lernen:

1. Restitution ad integrum – komplette Ausheilung der Entzündung. Beispielsweise nach einem Insektenstich kommt es zur lokalen Schwellung, Überwärmung und Schmerz. Nach ein paar Tagen ist die Entzündung folgenlos abgeheilt.
Im übertragenen Sinne kann ein Problem in einem Meeting kann möglicherweise schnell gelöst werden, ohne dass es sich zu einem Konflikt entwickelt. Im Konfliktfall kann eine Mediation zur Lösung führen.

2. Narbenbildung und funktionelle Störung – Beispiel: Nach einer Schürfverletzung eitert die Wunde. Durch die Therapie heilt die Wunde ab, das Oberflächengewebe der Haut jedoch vernarbt. In der Analogie zum Unternehmen bedeutet dies, dass ein Konflikt nicht komplett gelöst werden konnte. Eine Konfliktpartei hat möglicherweise unter Druck einem Lösungsvorschlag zustimmen müssen. Der Konflikt ist äußerlich geklärt. Doch die Konfliktpartei wird es der anderen Konfliktpartei möglicherweise nicht vergessen. Wenn es Gewinner und Verlierer gibt, wird möglicherweise eine Konfliktpartei diese Niederlage nur schwer hinnehmen können. Aufgabe der Führungskräfte ist es daher, nicht selbst zu entscheiden, wer Recht hat, sondern einen bestmöglichen Konsens zu erzielen.

3. Sepsis und Tot – Die lokale Entzündung einer Rachenmandel mit Streptokokken-Bakterien führt zur massiven Besiedlung anderer Organe des Körpers. Dies kann zur Sepsis führen, woran ein immungeschwächter Patient versterben kann.

Es gibt viele Faktoren, die dazu beitragen können, dass sich ein körperfremder Stoff zur Entzündung führt. Wenn es im Team bereits Konfliktpotenzial gibt, steigt das Risiko, auch selbst überempfindlich zu reagieren. Es kommt immer wieder vor, dass ein Mitarbeiter mit einer Substanz in Berührung kommt, auf die der Körper heftig reagiert. Zum Beispiel auf den Chef. Wenn alle Mitarbeitenden gegen den Chef arbeiten, hat dieser kaum eine Chance, sich durchsetzen zu können.

4. Konfliktprävention
Der menschliche Körper ist äußeren Gegebenheiten nicht hilflos ausgeliefert. Ein gesunder Körper kann eigene Abwehrmechanismen und Selbstheilungskräfte aktivieren. Gleiches gilt für die Unternehmen. Führungskräfte können dazu beitragen, die kommunikativen Selbstheilungskräfte zu reaktivieren und Konflikte zu lösen.

Die Prävention von Erkrankungen ist ressourcenschonender als eine Therapie gegen eine Entzündung. Vitamin D ist nicht nur für den Knochenstoffwechsel wesentlich, sondern ist ein immunstimulierendes, entzündungshemmendes und den Körper damit schützendes Vitamin.
Vitamin D hat auf nahezu allen Geweben, besonders aber auch auf Natürlichen Killer-Zellen und anderen Immunzellen spezifische Vitamin D Rezeptoren und kann so das Immunsystem positiv unterstützen. Therapeutisch ist die Gabe von Vitamin D3 erfolgreicher als die Verabreichung von Entzündungs-Hemmern.
Übertragen auf das Unternehmen bedeutet dies, dass die Konflikt-Prävention eine wichtige Aufgabe der Führungskräfte ist. Das Erkennen von Mini-Signalen eines Konflikts stärkt den Innovationsfluss. Ein wichtiger Aspekt ist die Kommunikation. Vitamin B, also die Beziehungen zu stärken, ist eine Kernaufgabe der Führungskräfte. Moderne Führungskräfte legen durch ihren Führungsstil Wert auf eine professionelle Konfliktprävention. Sie nehmen Spannungen im Team frühzeitig wahr und sprechen sie offen an. Eine offene Kommunikation und ein professioneller Umgang mit Konflikten sind essentiell für ein erfolgreiches Führen.

Um Mitarbeitende gesund und konfliktpräventiv zu führen, braucht es einen Mind-Set-Change in den Köpfen der Führungskräfte. Dazu ist es notwendig, die komplexen Ursachen und Wechselwirkungen zwischen Mitarbeitern zu erkennen und den Gesamtzusammenhang von Führung und Konflikten besser zu verstehen und zu begreifen, damit die Weichen in Richtung einer gesunden Weiterentwicklung gestellt werden können. Der erste Schritt ist daher die Präsenz und das Schärfen der Wahrnehmung.

5. Aufbau einer guten Unternehmenskultur
In einem gesunden Immunsystem sind keine Entzündungsparameter nachweisbar.
Die Unternehmenskultur ist der Nährboden, damit gesunde Kommunikation gelingt. In der Analogie zum Unternehmen müssen die Führungskräfte die Richtung vorgeben, wohin die Reise geht. Es braucht Orientierung, Klarheit und Entschlossenheit, zu handeln, damit sich aus dem Wildwuchs aus Ideen der richtige Fokus entwickelt. Gesunde Kommunikation ist ein Eckpfeiler für eine organismische Unternehmenskultur.

Was muss die FK machen? Die Führungskräfte haben die Aufgabe, in enger Abstimmung und im Kontakt mit Ihren Mitarbeitenden zu sein. Ein enger Austausch ermöglicht das Erkennen von Unstimmigkeiten und Problemen.

Gehen Sie in Kontakt mit sich selbst und Ihren Mitarbeitern. Wir unterstützen Sie gerne dabei!

Hören Sie unseren Podcast „Braindrops – Kreative Impulse für Führungskräfte“ zu weiteren Führungsthemen. Diese finden Sie auf den führenden Podcast-Kanälen, wie Google Podcast, Spotify, iTunes etc.

Bis zum nächsten Mal wünsche Ihnen eine stressfreie Zeit.

Stay tuned. Keep cool and carry on.

Kreative Grüße – Ihr Jörg Peter Schröder

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